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Die Naturwissenschaften und der Atomphilosoph
Die Physik erforscht die Bewegungsgesetze anfassbarer, physisch begreifbarer, Objekte. Sie befasst sich auch mit anderen Erscheinungen der Natur, die direkt mit den Sinnesorganen des Menschen wahrnehmbar sind, wie dem Licht, dem Strom, der Wärme, kurz: der Energie und ihren Erscheinungsformen. Und darauf sollte sie sich beschränken.
Die Chemie erforscht die Interaktion kleinerer materieller Objekte, nämlich die der Größenordnung Atom und Molekül. Derartige Objekte können nicht mit dem bloßen Auge verfolgt werden. Aber an den Veränderungen, die man verschiedenen Sinnen beobachten kann, ist erkennbar, dass Veränderungen stattgefunden haben. Die Farbe der Materie veräbdert sich oder ihr Aggregatzustand, es entstehen neu zusammengesetzte Moleküle, die ihrerseits andere Eigenschaften haben als die Moleküle, die vorher vorhanden waren. Bei derartigen Veränderungen handelt es sich nicht mehr um Bewegungen, sondern um"Reaktionen". Stoffe (Materie) reagiert aufeinander oder miteinander, wobei diese Reaktion variabel sind, je nach den äußeren physikalischen Bedingungen, wie der Temperatur oder der Anwesenheit anderer Substanzen, die sich durch die Reaktion der beiden anderen nicht verändern.
Im Zwischenbereich dieser beiden Naturwissenschaften hat sich die Nanowissenschaft angesiedelt.
Die Wissenschaft, die mit der Größenordnung von Materie unterhalb des atomaren Bereichs beschäftigt, nennt sich Atomphysik oder Quantenphysik. In diesen Begriffen steckt die "Physik". Dies ist eine Begriffsverwirrung, weil die Objekte, die hier erforscht werden, keine anfassbaren Teilchen sind. Es hat sich inzwischen auch herausgestellt, dass es unmöglich ist, den Aufenthaltsort und den Impuls, den diese Bestandteile des Atoms haben, zeitgleich zu bestimmen (Heisenberg). Es ist andererseits nicht möglich, sich die zeitgleich vorhandenen Eigenschaften dieser Unterstrukturen, nämlich ihre Teilchen- und Welleneigenschaft gleichzeitig vorzustellen. Es ist hier mit den Sinnen des Menschen kein Erkenntnisgewinn möglich. Der Erkenntnisgewinn kommt aus dem reinen Denken, er ist "abstrakt", losgelöst von einer erfahrbaren Realität. Auch Begriffe wie "Bewegung" oder "Reaktion" sind zur Beschreibung des Verhaltens dieser Unterstrukturen des Atoms nicht anwendbar. Es können zwar Versuche mit diesen Unterstrukturen gemacht werden, indem sie zerstört werden und damit weitere Splitter dieser Strukturen erzeugt werden. Die Interpretation dieser Versuchsergebnisse ist jedoch eine rein geistige Angelegenheit, so dass die Philosophie lebender Systeme vorschlägt, den Begriff der Atomphysik oder der Quantenphysik fallen zu lassen.
Im Grunde ist die Aufklärung subatomarer Strukturen eine philosophische Disziplin. Deshalb schlag eich vor, nicht von Atomphysik von Atomphilosophie zu sprechen und dieses Wissenschaftsgebiet als Atomphilosophie der Philosophie einzugliedern.
Betrachtet man die Frage der Einteilung der Wissenschaften aus der Perspektive der Philosophie, war bis Kant eine Kenntnis der Naturwissenschaft Voraussetzung für philosophische Tätigkeit. Selbst der Idealismus legte die Naturwissenschaften als Basis philosophischer Überlegungen zugrunde.
Seinerzeit waren die Naturwissenschaften im wesentlichen die Physik und die Wissenschaft vom Menschen, die Medizin. Philosophie war daher u.a. auch Mataphysik. Die Entwicklung der Naturwissenschaft in immer mehr Einzeldisziplinen, das rasante Wachstum des Wissens, hat wohl in erster Linie dazu geführt, dass Naturwissenschaft für einen Naturwissenschaftler selbst nicht mehr überschaubar wurde – und schon gar nicht für einen Philosophen. Der Grundsatz, dass ein Philosoph wenigstens eine Naturwissenschaft überschauen und dafür ein naturwissenschaftliches Studium absolviert haben sollte, sollte daher aus Sicht der Philosophie lebender Systeme zum Zulassungskriterium für das Studium des Faches Philosophie gemacht werden, wenn Philosophie wieder eine Bedeutung erhalten sollte, die über ein folgenloses praxisfernes Fachsimpeln über philosophische Themen hinausgeht. Das kann natürlich auch ein Studium der theoretischen Physik sein. Ein derartig vorgebildeter Naturwissenschaftler könnte sich im Anschluss an ein – möglicherweise berufsbegleitendes Philosophiesudium dann die Bezeichnung Atomphilosoph erwerben.
Rudi Zimmerman am 6.2.2010 |