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Reflexe lebender Systeme
Der Anerkennungsreflex und die hormonelle Steuerung des Artverhaltens
von
Rudi Zimmerman
Zusammenfassung
Es wird gezeigt, dass nicht nur das Verhalten des menschlichen Individuums, sondern auch das Verhalten der Tierart Mensch, von biologisch präformierten und genetisch gespeicherten Verhaltensprogrammen gesteuert wird. Bestimmte optische Reize und Reize anderer Sinnesorgane (Nase) führen über die Ausschüttung bestimmter Hormone zu individuellem menschlichen Verhalten, das nicht im Dienst der Erhaltung und Entfaltung der einzelnen Menschen liegt, sondern das dem Überleben und dem Wachstum der Menschheit, also dem übergeordneten lebenden System, dient. Dies wird von religiösen Ideologien und einem gesellschaftlich geförderten Wachstumswahn unterstützt, so dass kaum Aussicht besteht, dass die Menschheit überleben wird.
Das reflektorische Verhalten der Individuen
Alle zweigeschlechtlich sich vermehrenden lebenden Systeme des Typs Tier sind mit den gleichen biologisch gegebenen, genetisch gespeicherten Reflexe ausgestattet. Diese Reflexe haben immer die gleichen 2 Ziele, nämlich die Sicherung des Überlebens – die Selbsterhaltung des Systems - und die Vergrößerung des Systems, sein Wachstum. Letzteres Verhaltensziel nenne ich die Selbstentfaltung des lebenden Systems.
Diese Reflexe – und das ist die neue Erkenntnis meiner Philosophie lebender Systeme – sichern jedoch nicht nur die Selbsterhaltung und die Selbstentfaltung der Individuen, was hinlänglich bekannt ist und daher hier nicht weiter ausgeführt werden muss, sondern sie sichern auch die Selbsterhaltung und Selbstentfaltung des lebenden Systems höherer Ordnung, nämlich der Art.
Der Säugling – ich spreche also nun von Säugetieren, zu denen auch der Mensch gerechnet werden muss – ist mit dem Greif- und dem Saugreflex ausgestattet, der sein Überleben sichert. Lernt das Individuum sprechen und entfaltet seine geistigen Fähigkeiten – nun spreche ich vom Menschen -, kommt ein weiterer Reflex zum Tragen, nämlich der Anerkennungsreflex. Diesen Reflex bezeichnen ich nicht nach einem Organ, an dessen Veränderung der Reflex sichtbar wird, sondern danach, welches Ziel der Reflex hat. Es geht hier nicht ums Überleben, sondern darum, Glücksgefühle zu erleben. Ich schließe mich diesbezüglich Sigmund Freud an, der als Triebziel des Sexualtriebs die Lustempfindung definiert hat, und sehe beim Anerkennungsreflex die Glücksempfindungen als Triebziel an. Diese Glücksgefühle können auf sehr verschiedene Weise ausgelöst werden, beispielsweise durch Lob, das von den Eltern für das Erreichen von Lernzielen ausgesprochen oder durch die Freude der Eltern ausgedrückt wird, oder die Anerkennung, die die Gesellschaft für die Einhaltung bestimmter sozialer Normen vergeben wird, in der modernen Gesellschaft insbesondere durch finanzielle Gratifikation, also Geldzuwendung. Der noch sehr junge Mensch empfindet Glücksgefühl, wenn seine Eltern sich darüber freuen, dass er die ersten Schritte tut oder die ersten Worte formuliert, „Mama“ oder „Papa“ sagt. Dieses Glücksgefühl ist die Rückkopplung der Gesellschaft, hier der Eltern, für ein Verhalten, das der Gesellschaft nützt. Das Individuum könnte an sich bis zu seinem Tod im Bett liegen und sich füttern lassen - auf diese Weise sterben auch die meisten Menschen -, weil er jedoch Glücksgefühle erleben möchte, wiederholt er die Handlungsweisen, die gelobt und mit positivem Feedback beantworten werden und läuft weiter, spricht immer besser und lernt in der Schule immer besser rechnen usw..
Mit anderen Worten: weil der Mensch ständig nicht nur Nahrung zum Überleben benötigt, sondern auch ständig von seinen Mitmenschen anerkannt werden möchte, lernt er und geht später jeden Morgen zur Arbeit. Denn dieses Verhalten wird mittels Geldzuwendung anerkannt. Diese Form der Anerkennung durch Geldzuwendung ist daher besonders effektiv, weil das Individuum selbst entscheiden kann, auf welche Art es sich das ständig benötigte Glücksempfinden sichert, weil Geld in alles andere umgewandelt werden kann. Das Individuum kann sich nun sportlicher Betätigung widmen und sich eine Skiausrüstung anschaffen und entsprechende Urlaube kaufen, oder sich in Kinovorstellungen amüsieren, sein Geld durch Computerspiele in Glücksgefühle umwandeln usw. usw.. Diese Art der Befriedigung nenne ich in Anlehnung an Erkenntnisse der Psychoanalyse auch die narzisstischen Befriedigungen. Die Entwicklung des Individuums in die Gesellschaft hinein (seine „Anpassung“) wird also dadurch gesteuert, dass das Individuum einerseits mit diesem Anerkennungsreflex ausgestattet ist, der ihm Glücksgefühle vermittelt, wenn der Reflexbogen geschlossen wird und das von der Gesellschaft erwünschte Verhalten belohnt und die Belohnung in persönlich bestimmte Befriedigungsweisen eingetauscht wurde. Anderseits legt die Gesellschaft durch ungeschriebene Umgangsregeln und festgeschriebene Gesetze (Gebote und Verbote) fest, welche Verhaltensweisen des Individuums belohnt nud welche bestraft werden.
Die Natur arbeitet allerdings stets sozusagen mit 2 Zügeln, um das Verhalten lebender Systeme zu steuern. Der zweite Zügel, der das Verhalten des menschlichen Individuum und anderer Lebender Systeme steuert, ist die Vermeidung von Schmerz und Unlust. Die Vermeidung von Schmerz schützt das Individuum vor lebensbedrohlichen Aktionen, sichert also das Überleben durch das Schmerzvermeidungsverhalten, und die Vermeidung von Unlust sichert die Anpassung an die Gesellschaft. Dieses biologisch programmierte Vermeidungsverhalten gibt der Gesellschaft die Möglichkeit, Verhaltensregeln aufzustellen, deren Nichteinhaltung mit Körperstrafen, Haftstrafen oder Geldstrafen oder andere Bestrafungsaktionen negativ zurückgekoppelt werden. Wer stiehlt, dem wird die Hand abgehackt oder er wird mit einer Geldstrafe belegt, ja nach den gerade maßgeblichen gesellschaftlichen Richtlinien und Gesetzen.
So weit ein kleiner Einblick in die Steuerung des Verhaltens lebender Systeme vom Typ „Individuum“. Diese Verhaltenssteuerung, deren Grundlage lediglich einige wenige genetisch programmierte Reflexe sind, ist so einsichtig und im Grund jedem bekannt, so dass mir keine weitere Vertiefung erforderlich erscheint.
Die genetisch programmierte Verhaltenssteuerung der Art und der Gesellschaft
Interessant, weil bisher unbekannt, ist die Verhaltenssteuerung lebender Systeme höherer Ordnung, nämlich der Arten.
Ein Tierart und eben auch die Tierart Mensch, hat nämlich nach den Forschungsergebnissen der Philosophie lebender Systeme ebenfalls die beiden Verhaltensziele „Selbsterhaltung“ (Überleben) und „Selbstentfaltung“ (Wachstum, Vergrößerung), deren Erreichen genetisch programmiert sind. Auch die Menschheit strebt deshalb wie jede andere Tierart danach, zu überleben und sich zu entfalten, zu vergrößern. Das Überleben der Menschheit wird durch die Nahrungsaufnahme der Individuen gesichert und die ständige Vergrößerung der Menschheit durch den „Sexualtrieb“. Zur Nahrungsaufnahme ist an dieser Stelle nicht viel zu sagen. Aufgrund des ständigen Wachstums der Menschheit durch die Ausschaltung von Fressfeinden und die ständige Verbesserung der Bekämpfung von Krankheitserregern (den sogenannten medizinischen Fortschritt) muss die Menschheit für immer mehr Nahrungsherstellung sorgen, was derzeit aufgrund der geistigen Kapazitäten der Menschen (den Erfindungsreichtum) noch nicht schwer fällt, jedoch bei weiterem Wachstum immer schwieriger werden wird, weil wegen der Endlichkeit der Erdgröße die Mittel begrenzt sind.
Die Selbstentfaltung und das ständige Wachstum der Menschheit wird durch das Sexualverhalten der menschlichen Individuen gesichert, insbesondere durch das Sexualverhalten des Mannes. Das Sexualverhaltens des Mannes wird biologisch ebenfalls von einem Reflex gesteuert, den ich bereits vor einigen Jahren beschrieben habe. Ich habe dieses Reflexverhalten als Penisreflex bezeichnet, weil dieser Reflex an der Durchblutungssteigerung (und damit durch seine Vergrößerung) dieses Organs deutlich sichtbar wird. Im Grunde wird dieser Reflex jedoch durch auffällige Verhaltensänderungen sichtbar. Ausgelöst wird dieser Reflex durch den Anblick des Sexualpartners bzw. bestimmter Körperteile des in Frage kommenden Partners, aber auch durch Geruchswahrnehmungen, was bei Tieren eine größere Rolle spielt. Diese Reflexauslöser führen dazu, dass das menschliche Männchen zunächst Balzverhalten zeigt. Die Balzrituale sind selbstverständlich variabel und abhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen. So sind das Vorzeigen des erigierten Penis oder Rivalenkämpfe zur Demonstration der körperlichen Stärke bei weiten Teilen der weiblichen Bevölkerung außer Mode gekommen, weil die umworbenen weiblichen Individuen den Partner nach anderen Kriterien auswählen, wie der Höhe des Bankkontos oder bestimmte Hinweise auf die finanzielle Ausstattung des zukünftigen Partners, wie teure Kleidung, ein besonderes und schnelles Auto, Geschenke usw.. Das Balzverhalten des Menschen ist auch zeitlich ausgedehnter durch Einladungen usw. Das Ende des Balzverhaltens ist jedoch im Tierreich wie im Menschenreich das gleiche, es endet mit der Kopulation und deren Höhepunkt, dem Orgasmus. Es handelt sich bei dem Penisreflex also nicht um einen Reflex im Sinne der Neurologie, bei dem ein Organ reagiert, sondern um ein rituelles Verhalten, bei dem lediglich das Ziel (der Orgasmus) biologisch-genetisch festgelegt ist, und der Weg dorthin von gesellschaftlichen Regeln überlagert ist und dementsprechend ständig umgeformt wird. Freund bezeichnet den Orgasmus als das Triebziel, wobei er das Sexualverhalten dem Individuum zuordnet. Diese Beschränkung des Denkens auf die Handlungen des Individuums teilt die Philosophie lebender Systeme nicht.
Das Ziel des Sexualtriebs ist nicht die sexuelle Befriedigung des Individuums, sondern das Wachstum der Tierart Mensch.
Der Orgasmus ist lediglich das Bestechungsgeld der Natur, das diese dem Individuum dafür zahlt, dass es die Interessen der Art befriedigt, wie ich es an anderer Stelle beschrieben habe. Die Erhaltung und das Wachstum der Art ist das Ziel dieses individuellen Verhaltens. Der sexuelle Orgasmus ist im übrigen auch die vorweggenommene Belohnung für die nun einsetzenden Qualen (der Frau bei der Geburt des Kindes) und die Mühsal der Kindesaufzucht und der damit verbundenen Nahrungssicherung.
Zunächst zeigt der weibliche Mensch, der den Nachwuchs in den ersten 9 Lebensmonaten in seinem Uterus versorgt, nach der Geburt des Kindes verschiedene Reflexe, wie die Milchproduktion zur Ernährung des Kindes in den ersten Monaten und Jahren nach der Geburt. Das mütterliche Versorgungsverhalten persistiert jedoch das ganze Leben und ist auch bei Frauen im Großmutteralter zu beobachten. Diese Versorgungsreflexe prägen jedoch auch das Verhalten des Vaters, der nun regelmäßig arbeiten geht. Die kontinuierliche Berufstätigkeit mit ihrer Anpassung an gesellschaftliche Gepflogenheiten ist dient also nicht nur der Selbsterhaltung und Selbstentfaltung des Individuums, sondern außerdem der Selbstentfaltung der Menschheit. Indem beide Elternteile dafür Sorge tragen, dass der Nachwuchs sich entwickelt und in die menschliche Gesellschaft integriert, sorgen sie für die Erhaltung und Entfaltung des Systems Mensch.
Die Rolle der Hormone bei der Verhaltenssteuerung des Individuums
Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass diese reflektorischen Verhaltensweisen über die Ausschüttung bestimmter Hormone gesteuert werden. Beim Sexualverhalten ist dies offensichtlich und bekannt, beim Brutverhalten, wie es im Tierreich genannt wird, ist es weniger bekannt. Aber auch hier sind es bestimmte Hormone, deren Ausschüttung dieses Brutverhalten steuern, das sich im Menschenreich nicht nur bei der Frau zeigt, sondern mehr oder weniger auch im Arbeitsverhalten des Mannes, also des Vaters. Dies ist natürlich individuellen und kulturellen Unterschieden unterworfen, die bekannt sind und deshalb hier nicht ausgeführt werden müssen.
Auch hier arbeitet die genetische Verhaltensprogrammierung, die durch Hormonausschüttungen die Handlungsziele (das Überleben der Kinder, also die Selbsterhaltung der Art) festlegt und die Gesellschaft durch die Modellierung des Verhaltens gemäß bestimmter Regeln, zusammen.
Problematisch ist allerdings, dass dieses Wachstum der Menschheit, das biologischen Gesetzmäßigkeiten folgt, schließlich dazu führen wird, dass die Menschheit sich selbst ihrer Lebensgrundlage entzieht, indem die Produktion der erforderlichen Nahrungs- und Genussmittel und der körperexternen Organe der Individuen (Kleidung, Autos u.a. Fortbewegungsorgane) bei der ständig steigenden Menschenzahl und den steigenden individuellen Ansprüchen naturgesetzlich zur Zerstörung des Planeten Erde führt. Erste Anzeichen dafür sind bereits vorhanden, beispielsweise die Klimaerwärmung. Um diesen Zerstörungsprozess zu stoppen, müssten sich die Individuen der genetisch-hormonellen Steuerung ihres Verhaltens bewusst werden und gemäß ihrer rationalen Einsichten ihr Verhalten rational steuern.
Diese erforderliche Verhaltensänderung wird derzeit insbesondere von religiösen Ideologien und durch die kapitalistische Wachstumsideologie, den von mir so genannten „Wachstumswahn“, verhindert, die die Überproduktion von Menschen fördern und irrationales Denken und Verhalten unterstützen.
Rudi Zimmerman, Philosoph lebender Systeme
Berlin, den 06.06.2014
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